
@schwesta_ebra
© ZVG
Ebru, du erreichst mit deiner Musik und Online-Präsenz tausende Menschen. Ab wann hast du deine Gesellschaftskritik öffentlich geteilt?
Als ich zum Studieren nach Wien zog, kam ich das erste Mal mit Demonstrationen in Berührung. Das „Gemeinsam für eine Sache stehen“-Gefühl riss mich sofort mit. In den Social Media begann ich, meine Meinung zum Wahlrecht kundzutun, weil etliche davon ausgeschlossen sind. Der Gegenwind hat mich befeuert, weiterzumachen: Ich bin genauso betroffen, deshalb habe ich mich angegriffen gefühlt.
Wie thematisierst du Queerness, Offenheit und Vielfalt auf deinem Account?
Bei jeglichem Content stehen Kreativität und Humor im Vordergrund. Das ist Selbstschutz und Coping-Mechanismus. Außerdem können die teils schwierigen Themen so am besten zugänglich gemacht werden. Ich zeige meine Beziehung öffentlich, spreche Missstände an, erzähle von meinen Erfahrungen, aber widerspreche auch gern Klischees oder mache mich über sie lustig.
Wie gehst du mit Kritik und Hate um? Was rätst du anderen (queeren) Personen?
Ich bin sehr offen für Kritik. Hate hingegen ist etwas ganz anderes. Es kommt immer auf das Geschriebene/Gesagte und meine Tagesverfassung an. Mich triggern mittlerweile nicht mehr viele Dinge, weil es zu 80 % dieselben Beleidigungen, Drohungen oder belanglosen Inhalte sind. Das heißt aber nicht, dass das okay ist. Nur, weil wir gesamtgesellschaftlich abstumpfen, ist das Gesagte nicht weniger schlimm und besorgniserregend. Vereine wie Zara Zivilcourage unterstützen bei rechtlichen Schritten gegen Hass im Netz. Man sollte damit nicht allein gelassen werden. Es hilft auch, Kommentare nicht zu lesen. Generell wünsche ich mir mehr Zivilcourage und Eingreifen der Plattformen.
Was braucht es für eine offene, vielfältige Welt?
Wir müssen endlich verstehen, dass niemandem etwas weggenommen wird, wenn bestimmte Gruppen mehr Rechte erlangen. Ich besuche mit der Beratungsstelle Extremismus Schulen und spreche über dieselben Themen wie online. Dadurch habe ich viel gelernt, z. B., dass Hass und Ablehnung oft auf Unwissenheit/Falschinformationen beruhen; und dass Dialog toll ist, um voneinander zu lernen, Vorurteile abzubauen und zu wachsen. Die Kids stimmen mich angesichts der internationalen Rückschritte optimistischer.
Social Media verleitet dazu, Emotionen sehr schnell ungefiltert rauszulassen – auf Kosten von Individuen. Das kann Betroffene noch wochenlang beschäftigen. Wir vereinsamen und flüchten uns in Individualismus, was grundsätzlich nicht schlimm ist. Doch die Art und Geschwindigkeit finde ich nicht gut. Wichtig ist wieder aufmerksamer zu sein, füreinander, miteinander.